Wohlfahrtsverbände

„Freie  Wohlfahrtspflege“ ist die Gesamtheit aller sozialen Hilfen, die auf freigemeinnütziger Grundlage und in organisierter Form in der Bundesrepublik Deutschland geleistet werden. Freie Wohlfahrtspflege unterscheidet sich einerseits von gewerblichen – auf Gewinnerzielung ausgerichteten- Angeboten und anderseits von den öffentlichen Trägern.

Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege sind föderalistisch strukturiert, d. h. die Gliederungen und Mitgliedsorganisationen sind überwiegend rechtlich selbständig.

Sie haben sich in sechs Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege
zusammengeschlossen:

•    Arbeiterwohlfahrt (AWO)
•    Deutscher Caritasverband (DCV)
•    Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband (DER Paritätische)
•    Deutsches Rotes Kreuz (DRK)
•    Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland (DW)
•    Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST)

Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege sind geprägt durch unterschiedliche weltanschauliche oder religiösen Motive und Ziele. Gemeinsam ist allen, dass sie unmittelbar an die Hilfsbereitschaft und an die Solidarität der Bevölkerung anknüpfen. Sie wecken und fördern solche Kräfte und ermöglichen deren Entfaltung in gezielter und koordinierter Aktivität.

Arbeiterwohlfahrt

1. Entwicklung

Der Name gibt Auskunft über die ursprüngliche Zielgruppe. Doch schon längst sind nicht nur die Arbeiter und ihre Familien, für die sich die AWO einsetzt, sondern alle Bevölkerungsgruppen. Sie ist für alle offen, die Hilfe und Unterstützung brauchen, ohne nach Nationalität, Religion, Alter und politischer Überzeugung zu fragen. Der innere Aufbau der AWO ist demokratisch und föderativ.

1919 ist das Geburtsjahr der AWO
Sie ist historisch entstanden als Teil der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung. Sie wurde 1919 auf Initiative von Maria Juchacz von der Sozialdemokratischen
Partei Deutschlands gegründet und in den Aufbaujahren organisatorisch gefördert.

Aus sozialen Selbsthilfeaktionen der Arbeiterbewegung, wie z. B. den Kinderschutz-kommissionen  und engagierten Sozialdemokraten entwickelte sich bald ein selbständiger
Verband.

Maria Juchacz  sah als Hauptaufgabe der AWO den Kampf um die Überwindung des demütigenden Charakters der Armenpflege und die Demokratisierung der Wohlfahrtspflege.

In der ehrenamtlichen sozialen Arbeit sah sie ein gutes Beispiel staatsbürgerlicher Gesinnung und Mitwirkung. 1933 wurde die AWO von den Nationalsozialisten aufgelöst, verboten und enteignet. Nach dem Krieg entstanden spontan regionale Initiativen und Ortsausschüsse ohne zentrale Lenkung.

1946 wurde in der britischen, amerikanischen und französischen Besatzungszone eine zentrale Vertretung der Arbeiterwohlfahrt geschaffen. In der sowjetischen Zone wurde die AWO nicht zugelassen. Bis 1961 bestand sie auch noch in Ost- Berlin. 1990 Gründung der einzelnen Verbände der AWO auch in den „Neuen“ Bundesländern.

2. Struktur

Die AWO gliedert sich wie folgt:
– Bundesverband
– Landesverbände
– Bezirksverbände
– Kreisverbände
– Gemeinde- bzw. Stadtverbände, – Ortsvereine

Der Bundesverband repräsentiert den Gesamtverband auf der Bundesebene und international.

In diesen Verbänden sind die Mitglieder organisiert und entwickeln hier bürgerliches Engagement. Die jeweiligen Vorstände arbeiten ehrenamtlich. Die Verbände sind Träger sozialer Einrichtungen und Freiwilligeninitiativen und somit Arbeitgeber.

3. Grundwerte

Die für die Arbeiterwohlfahrt grundlegende Werte sind:
Solidarität, Toleranz, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit.

Solidarität bedeutet, für einander einzustehen. Auf der Grundlage der politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ehrenamtliches Engagement entwickeln und durch praktisches Handeln andren helfen.

Toleranz bedeutet, andere Denk- und Verhaltensweisen zu respektieren, auch wenn man anderer Auffassung ist.

Freiheit ist die Grundlage der Demokratie. Das beinhaltet die Möglichkeit für  alle Bürger und Bürgerinnen, individuelle Fähigkeiten zu entfalten und ein selbstbestimmtes Leben zu
führen.

Gleichheit gründet in der gleichen Würde aller Menschen. Jeder Mensch hat das Recht auf Wahrung seiner Würde.

Gerechtigkeit bedeutet nicht nur die gleichen Rechte vor dem Gesetz. Sie fordert auch sozial gerechte Gesetze mit einem Ausgleich in der Verteilung von Arbeit und Einkommen,
Eigentum und Macht, wie auch Zugang zu Bildung, Ausbildung und Kultur. Diese Grundprinzipien sind Grundlage unseres Handels.

4. AWO – Heute

Die Freie Wohlfahrtspflege befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Er ist Teil eines Systemwechsel in der sozialstaatlichen Versorgung. Bedingt Globalisierung, konomisierung und Wettbewerb.

Die AWO muss die Geschichte und Kultur eines sozialpolitisch und bürgerschaftlich engagierten Traditionsverbandes verbinden mit den neuen Anforderungen eines modernen Dienstleistungsunternehmens.

Alle AWO- Verbände mit ihren sozialen Einrichtungen werden künftig ihre neue Rolle Im Markt der Sozialwirtschaft aktiv zu gestalten haben, um die Qualität ihres erreichten sozialen Leistungsniveaus sichern und die Effizienz ihrer Leistungserbringung optimieren zu können.

Die AWO muss verstärkt ihrer Rolle als sozialpolitischer Interessenverband und anwaltschaftliche Vertretung für die sozial Schwachen in unserer Gesellschaft gerecht werden. Es gehört dazu auch die Profilierung des sozialen Ehrenamtes und des bürgerschaftlichen Engagements.

Die unternehmerischen Aktivitäten der AWO verlaufen nicht mehr in der gewohnten Weise in der Struktur einer ideell und ehrenamtlich geprägten Mitgliederorganisation. Es wird darauf jetzt ankommen, den Modernisierungsprozess der sozialen Dienstleistungsunternehmen mit einer Neustrukturierung der Mitgliederorganisation zu verbinden.

Die Folge ist, dass in der nächsten Zeit in allen verbandspolitischen Gliederungen ein Verständigungsprozess in Gang gesetzt werden muss und wird. Es geht um eine breite verbandspolitische Diskussion der Entwürfe der Grundsatzpapiere, wie AWO-Statut und AWO – Grundsatzprogramm.